Tonusasymmetriesyndrom (TAS), KISS-Syndrom, KIDD Syndrom
Allgemeines:
Bei der Tonusasymmetrie besteht eine Dysfunktion (Blockierung) eines oder mehrer Bewegungssegmente im Bereich der Wirbelsäule, vorzugsweise zwischen Kopf und Hals (sogenannte Kopfgelenke), die zu einer Haltungsasymmetrie des gesamten Säuglings führt. Meist sind nicht nur an den Kopfgelenken, wie der Begriff KISS-Syndrom (Kopfgelenk-Induzierte-Symmetrie-Störung) beschreibt, sondern auch im zervico-thorakalen Übergang (zwischen Hals und Brust), im thoacolumbalen Übergang (zwischen Brust und Lendenwirbelsäule) und im Bereich des Sacroilialkalgelenks (SIG, Kreuz-Darmbein-Gelenk) Bewegungsstörungen zu finden. Bei Hüftdysplasie, Fußfehlhaltungen (Enge im Mutterleib) und Klumpfüssen sind solche Asymetrien häufiger.
Es entwickelt sich ein ähnliches Haltungsmuster wie beim so genannten muskulären Schiefhals, ohne dass aber eine strukturelle Veränderung im Bereich des Muskulus sternocleidomastoideus gefunden wird.
Die Bewegungsbehinderung äußert sich in einer einseitigen Haltung des Säuglings, in asymmetrischen Bewegungsmustern oder unwillkürlichen stereotypen Bewegungen, für die keine weitere Erklärung gefunden werden kann. Meist besteht schon bei Geburt eine Kopf- und Gesichtsasymmetrie, die sich durch die weitere einseitige Haltung verstärkt. Die Bauchlage wird generell schlechter toleriert oder ist gar nicht möglich. Daher die Kinder meist am Rücken liegen, (wie zur Vorsorge des plötzlichen Kindstods allgemein empfohlen wird), kann es durch den erhöhten Anpressdruck zu einer Verformung des Schädels (Plagiocephalus, Brachycephalus) kommen.
Obwohl eine offensichtliche Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit besteht wird diese funktionelle Beeinträchtigung noch häufig als Normvariante eingestuft, da sich in den meisten Fällen die Symptome der Körperasymmetrie im Laufe des ersten Lebensjahrs wieder bessern. Von einigen Kollegen wird bezweifelt, ob es sich dabei überhaupt um eine relevante Störung handelt. In den ersten 2 Lebensmonaten sind Asymmetrien dieser Art häufig und verschwinden in der Tat oft spontan. Dauert die Einseitigkeit aber weiter an werde diese einseitigen Haltungsmuster in das Bewegungsprogramm eingebaut und können später zu Problemen führen.
Eine Bewegungseinschränkung behindert zumindest kurzfristig die motorische Entwicklung des Säuglings. Die erstaunlichen Entwicklungsfortschritte, die sofort nach Beseitigung dieser Bewegungsstörung regelmäßig beobachtet werden, legen dies nahe. Bei Untersuchungen von älteren Kindern mit motorischer Entwicklungsverzögerung oder Teilleistungsschwächen, die bei Schulbeginn wieder auffielen, wurde im Nachhinein eine solche frühkindliche Bewegungsstörung gefunden werden. (Motorische Dyskybernese, KIDD-Syndrom (Kopfgelenk-Induzierte-Dyspraxie-Dysgnosie)
Die Diagnostik der Bewegungsstörung erfolgt durch passive Bewegungsprüfung der segmentalen Funktion und durch aktive Bewegungstests. Die Abgrenzung zur minimalen cerebralen Dysfunktion ist manchmal nicht leicht. Auch die Neuropädiater können in den ersten Lebensmonaten oft keine eindeutige Aussage treffen. Erst nach dem 3. Lebensmonat, wenn die frühkindlichen Reflexe langsam verschwinden, kann dies eindeutig differenziert werden. Ein zusätzliches Hilfsmittel zur frühen Differenzierung ist die neurokinesiologische Diagnostik nach Vojta. Nach Behandlung des Bewegungsproblems kann die verzögerte Entwicklung wieder aufgeholt werden.
Differentialdiagnose:
Angeboren: Fehlbildungen der Wirbelsäule
Neurogen: Tumore des Rückenmarkes; Syringomyelie
Reflektorisch: okulär (Augen), Sandifer-Syndrom (gastroösophagealer Reflux)
Entzündlich/Traumatsich: Grisel-Syndrom, Rotationssubluxation C1/C2, Rheumatoide Arthritis
Mechanisch: Muskulärer Schiefhals
Behandlung:
Die Behandlung ist abhängig vom Alter des Patienten. Vorraussetzung ist die exakte Diagnostik durch einen in Säuglingsbehandlung erfahrenen Arzt. Bei Verdacht auf eine Tonusasymmetrie kann eine Zuweisung zur Physiotherapie zur Lagerungsanleitung hilfreich sein, um den Eltern das optimale Handling zu vermitteln. Bei Neugeborenen kann in der Regel abgewartet werden, ob ich sich das Problem innerhalb von wenigen Wochen von alleine löst. Spezielle Lagerungen helfen dabei.
Tritt keine Besserung auf oder ist das Kind stark beeinträchtigt (Gedeihstörung, Trinkschwäche, Schreibaby, Entwicklungsverzögerung) kommen spezielle Techniken der Manuellen Medizin (Atlastherapie, Mobilisation, Manipulation, osteopathische Techniken) und der Meridiantherapie (japanische Akupunktur) zur Anwendung. In der Regel genügen zwei bis drei Termine zur deutlichen Besserung. Die physiotherapeutische (craniosakrale) Behandlung kann weitergeführt werden. Wenn das Bewegungsproblem behoben ist, bessert sich auch die Kopfform (vorausgesetzt das Kind hat noch genügend Wachstumspotential).
In einigen Fällen ist die Verformung des Kopfes aber so ausgeprägt, dass eine, das Schädelwachstum lenkende Behandlung mit einer Kopforthese (Helmtherapie), notwendig ist, um wieder eine normale annähernd symmetrische Kopfform herzustellen. Dies sollte möglich frühzeitig begonnen werden, um noch genug Korrekturzeit zu haben. der beste Zeitpunkt ist 4. bis 8 Lebensmonat). Die Helmtherapie ersetzt aber die Behandlung der Bewegungsstörung nicht!