Schwindel und Kopfschmerz
Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt. Arthur Schopenhauer
Schwindel im medizinischen Sprachgebrauch ist der Überbegriff einer Reihe von Störungen mit Beeinträchtigung der Körperempfindung. Schwindel bezeichnet die subjektive Empfindung einer Drehung, eines Schwankens oder einer Benommenheit, häufig bei Wechsel von einer zur anderen (z.B. Aufstehen aus dem Liegen) Körperhaltung. Er kann aber auch ohne Änderung der Körperhaltung auftreten. Da sich viele verschiedene Erkrankungen hinter einem Schwindel verbergen können sind in der Regel mehrere medizinische Fachdisziplinen zu konsultieren, um eine komplette Abklärung der möglichen Schwindelursachen vorzunehmen. Zur diesem Zweck sollte auf jeden Fall ein Hals-Nasen-Ohren- Arzt und ein Internist aufgesucht werden. Findet sich in diesen beiden Fachgebieten kein eindeutiger Grund bzw. lässt sich der Schwindel nicht beseitigen sollte ein Orthopäde mit Schwerpunkt Manualmedizin, Osteopathie, Atlastherapie hinzugezogen werden.
Differentialdiagnose des Schwindels
- Störungen des Gleichgewichtsorgans und des Ohrs (z.B. Vestibuläre Neuronitis, Labyrinthitis, benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Morbus Ménière, Otosclerose, perilymphatische Fistel etc. )
- Zentrale Ursachen (Durchblutungsstörungen des Gehirns, Migraine, Tumoröse Veränderungen, Multiple Sklerose)
- Zervikaler Schwindel ( Band- oder Gelenkverletzung der HWS, Chronische Muskelverspannung, dauernde Fehlhaltung, angeborene Fehlbildung), meist als Schwankschwindel empfunden
- Medikamentennebenwirkung
- Psychische Ursachen
Zervikaler Schwindel und Kopfschmerz
Lange Zeit wurde in der medizinischen Fachliteratur ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Nackenschmerz, Bewegungsstörung in der Halswirbelsäule und der Entstehung von Schwindelsymptomen angezweifelt. Dies hat sich geändert. Die tägliche Praxis zeigt, dass manche schwindelähnliche Symptome durch Lockerung der Verspannungen und Verbesserung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule gelindert werden können oder sogar verschwinden. Selbstverständlich trifft das nicht auf alle Fälle von Schwindel zu. Aber es ist nicht so selten, dass weder HNO-Ärzte noch Internisten oder neurologen eine eindeutige Ursache für den Schwindel finden können. In diesen Fällen ist eine Untersuchung der HWS und Schulter- Nackenregion dringend zu empfehlen.
Häufig findet man Störungen im Bereich der oberen HWS und der Verbindung zwischen HWS und Kopf, den sogenannten Kopfgelenken. Eine eingehende Untersuchung umfasst aber die gesamte Wirbelsäule. Vor manualtherapeutischer Behandlung wird in der Regel ein oder mehrere Röntgenbild angefertigt. Ältere Röntgenbilder können aber ebenfalls Aufschluss geben und sollten zur Untersuchung mitgebracht werden.
Eine mögliche Erklärung für die Schwindelauslösung durch die Muskulatur der HWS liegt in der zentralen Funktion der Nackenmuskulatur bei der Empfindung und Steuerung der Bewegung zwischen Kopf und Rumpf. Fehlinformationen aus diesen Muskelgruppen führen zu Störungen in der Reizverarbeitung der Bewegungsrezeptoren und Sinnesorgane. Die Verspannung dieser Muskeln wird als belastend und drückend empfunden und geht mit einem Stressgefühl einher. Andererseits manifestiert sich auch psychischer Stress in einer Verspannung eben dieser Muskeln („ es sitzt einem etwas im Nacken“). Es besteht eine (entwicklungsgeschichtlich sehr alte) Verbindung zwischen den Nackenmuskeln und anderen Muskelgruppen im Körper, insbesondere des Rückens (Rückenschmerzen), der Kopfregion (Stirnrunzeln, Kopfschmerzen) und der Kiefergelenke (Zähne knirschen, Kieferknacken).
In der neueren Literatur gibt es nun auch zunehmend Hinweise darauf, dass sich eindeutig vom Gleichgewichtsorgan ausgehende Beschwerden durch Behandlung der Kiefergelenke oder der Halswirbelsäule bessern lassen. Dies gilt in gleichem Maße für Patienten mit Tinnitus oder Ohrgeräuschen, Kopfschmerz und Migräne.
Wenn sich die Symptome auch nicht ganz beseitigen lassen, kann in vielen Fällen doch die Häufigkeit oder Schwere der Beschwerden beeinflusst werden.
Meist sind 2 oder 3 Behandlungen für eine nachhaltige Besserung notwendig. (siehe Chiropraxis, Osteopathie, Atlastherapie)
Literatur
Bjorne A, Agerberg G. Symptom relief after treatment of temporomandibular and cervical spine disorders in patients with Meniere’s disease: a three-year follow-up. Cranio. 2003 Jan;21(1):50-60. Björne A. Assessment of temporomandibular and cervical spine disorders in tinnitus patients. Prog Brain Res. 2007;166:215-9. Coenen W. Koordinations- und Konzentrationsstörungen im Kindesalter. Man Med 2002:40(6),352-358. Hall T, Briffa K, Hopper D. Clinical evaluation of cervicogenic headache: a clinical perspective. J Man Manip Ther. 2008;16(2):73-80. Labuguen RH. Initial evaluation of vertigo. Am Fam Phys 2006 Jan,73(2):244-251 Morningstar MW, Pettibon BR,Schlappi H, Schlappi M, Ireland TV. Reflex control of the spine and posture: a review of the literature from a chiropractic perspective. Chiropractic & Osteopathy 2005,13:16 Tilscher H. Die Kopfgelenke und ihre besondere Bedeutung beim Kopfschmerz. Man Med 2007 Aug 45(4)242-246 Zito G, Jull G, Story I. Clinical tests of musculoskeletal dysfunction in the diagnosis of cervicogenic headache. Man Ther. 2006 May;11(2):118-29. Epub 2005 Jul 18.