Überlastungsschäden bei Kindern und Jugendlichen
Traktionsapopysitis
(Morbus Schlatter, Morbus Sinding-Larsen, Morbus Sever, Morbus Iselin etc.)
Bei Überlastungen der Sehnenansätze (Traktionsapophysitiden) kommt es zu einer Veränderung der Wachstumszonen der Sehnenansätze (Apophysen) durch Überbeanspruchung. Es sind drei hauptsächliche Faktoren bei der Entstehung beteiligt. Zum ersten vermehrte Zugbelastung durch vermehrtes Längenwachstum und relative Muskelverkürzung (typisches Erkrankungsalter ist die Präpubertät und Pubertät). Zum zweiten vermehrte körperliche Belastung und zum dritten vermehrte Stoßbelastungen durch Anpralltraumen (Knie) oder Belastungen beim Gehen (Ferse). Typische Lokalisationen sind das Knie (Schlatter an der Tuberositas tibiae, Sinding-Larsen an der Patellaspitze), die Fersen (Mb. Sever oder Apophysitis calcanei) und die Basis des fünften Zehenstrahls (Mb Iselin). Aufgrund der Röntgenmorphologie (Aussehen im Röntgenbild), die eine Fragmentation der Apophyse (Auflösung der Knochenstruktur) zeigt, wurden diese Veränderungen früher zu den aseptischen Knochennekrosen (Knochenzerstörung aufgrund Durchblutungssörung) gezählt. Eine Störung der Vaskularisation (Gefäßversorgung) wurde histologisch jedoch nie nachgewiesen. Man sollte daher den Begriff Nekrose (Gewebszerstörung) vermeiden, da er die Patienten unnötig krank macht.
Die Erkrankung ist in erster Linie ein Schmerzzustand, der in der Regel mit Abschluss des Wachstums aufhört. Die Prognose ist sehr gut. Es findet sich fast immer eine Verkürzung der unmittelbar betroffenen Muskeln aber auch häufig deren Antagonisten (Gegenspieler). Bei längerem Verlauf kommt es zu einer Knochenneubildung an den Ansätzen der Sehnen, die man als typische derbe Vorwölbung tasten kann (klassisch beim Mb. Schlatter) und die im Reizzustand druckempfindlich sind. Dauert der Reizzustand weiter an kann es zu einer Ossifikation in der Sehne selbst kommen (Ossikel), die über das Wachstumsalter hinaus Probleme bereiten kann und sehr selten chirurgisch entfernt werden muss.
Die Diagnosestellung ist in erster Linie klinisch/anamnestisch mit entsprechendem Druckschmerz am Sehnenansatz. Die Röntgenuntersuchung dient dem Ausschluss anderer Ursachen Eine radiologisch erkennbare Fragmentierung der Apophyse ist auch nach Abklingen der Symptome weiterhin erkennbar, bzw. kann auch bei total beschwerdefreien Kindern auftreten.
Differentialdiagnose:
Klinisch/anamnestischer Ausschluss anderer Gelenksprobleme, Ausschluss seltener Erkrankungen (Tumore etc.) durch Röntgen.
Therapie:
Die Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend. Die Behandlung besteht in Reduktion der Belastung und Dehnung der verkürzten Muskulatur. Die Dauer einer Sport- oder Trainingskarenz ist abhängig vom Ausmaß der Beschwerden, der Sportart und dem individuellen Leistungsanspruch. Ungünstig sind alle Schnellkraftsportarten. Da die Kinder oft von den bisherigen Fehlversuchen der Sportkarenz frustriert sind, ist es vernünftig eine komplette Sportpause sowohl im Verein als auch in Freizeit und Schule von 4- 6 Wochen einzuhalten (was nicht selten auch dem Bedürfnis des Kindes entspricht). Wird dies eingehalten sind die Beschwerden meist dauerhaft verschwunden. Ein Dehnprogramm für die Muskeln sollte begeleitend erlernt werden (Physiotherapie), auch aus prophylaktischen Gründen.
Bei LeistungssportlerInnen muss anders vorgegangen werden, da sie sich eine lange Sportkarenz nicht leisten können und die gute Prognose dies auch nicht unbedingt zwingend erfordert. Schmerzen sollten aber nicht ignoriert werden, da es in einzelnen Fällen zu Ausrissen der Sehnen kommen kann.
Gut betreute SportlerInnen können sofort nach Beschwerdefreiheit wieder langsam mit dem Aufbau beginnen.
Literatur:
Krause BL, Williams JPR, Catterall A. (1990) Natural history of Osgood-Schlatter disease, J Pediatr Orthop 10:65-68
Gholve PA, Scher DM, Khakharia S, Widmann RF, Green DW. Osgood Schlatter syndrome. Curr Opin Pediatr. 2007 Feb;19(1):44-50.
Lehman RC, Gregg JR, Torg E. (1986) Iselin’s disease Am J Sports Med 14:494-496
Schneider F. Osteochondrosen im Kindesalter. In Weinberg AM , Tscherne
(Hrsg.) Unfallchirurgie im Kindesalter. Springer Verlag 2006: 994-1021